Freitag, 11. Juni 2010

Erfolgserlebnisse

Heute hatte ich einen echt efolgreichen Tag, darum hab ich beschlossen ich werde euch davon berichten.
In der Schule war heute ein irgendwie wehmuetiger Tag, aber andererseits ein sehr gut. Die 9 Monate, seit ich schon hier in Indien bin, habe ich die Kinder in der Schule unterrichtet. Da unserer Schule nur zur Vorbereitung auf die oeffentliche Schule ist, bleiben die Kinder nur fuer ein Jahr hier. Am Montag beginnt das neue Schuljahr, also heisst es Abschied nehmen von den Kindern.

Einerseits mit einem weinendem Auge, weil ich sie in dieser Zeit sooo lieb gewonnen habe. Jeden Tag, egal wie muede oder unmotiviert ich war, sobald ich die Schule betrat, freute ich mich riessig und war einfach nur froh dort zu sein und die lachenden Augen der Kinder zu sehen. (Echt keine Ahnung, wie sich die Kinder ueber uns seit 9 Monanten jeden Tag wahnsinnig ueber uns freuen koennen). Ausserdem habe ich mit den Kindern natuerlich jetzt schon viel Routine entwickelt. Sie wissen was ich von ihnen verlange, oder was ich ihnen sagen will (obwohl sie vielleicht nicht verbal verstehen was ich gerade vermitteln will). Ich kenne ihre Macken, und sie halt meine.

Aber auf der anderen Seite ist das lachende Auge, und das ueberwiegt echt. Es ist ein wunderschoenes Gefuehl zu sehen, dass unsere Schuetzlinge jetzt in die oeffentliche Schule gehen koennen und so einen grossen Schritt in eine bessere Zukunft machen. Durch den Vergleich mit den neuen Kindern kann ich einfach ganz klar entdecken, was sich alles veraendert hat. Aber nicht nur das.
Wenn ich zum Beispiel an die 2. Und 3. Klasse denke... Am Anfang des Schuljahres hab ich auf das Wort „book“ gezeigt und sie haben „schoolbag“ gesagt (bzw. geraten). Und heute... sitzt die liebe Devi aus der 2. Klasse neben mir und sieht einen Zettel und liest darauf „ What is your name?“. Sie kann einen ganzen englischen Satz lesen. Oder meine 6. Klasse, die ich erst seit etwa 6 Wochen unterrichte, kann jetzt Frage und Verneinung bilden und die Past tense bilden. Oder meine 1. Klasse, die am Anfang nicht einmal Englisch abschreiben koennen hat und jetzt koennen sie alle ihren Namen auf Englisch schreiben.
Es ist ein echt gutes Gefuehl die Kinder gehen zu lassen, da ich so ueberzeugt bin, dass sie gut vobereitet bin und ich vollstes Vertrauen in sie habe, dass sie ihren Weg gehen werden.



Im Shelter ist gerade nicht so eine gute Stimmung. Da eben am Montag wieder die Schule beginnt, muessen die Burschen von ihren Familien zurueckkehren ins Shelter. Damit muessen sie wieder ihr Leben bei ihrer Familie, in vollster Natur und mit viel mehr Freiheiten aufgeben. Doch fuer die meisten ist es anders nicht moeglich die Schule zu besuchen, darum ist es fuer sie sehr wichtig, dass sie bei uns im Shelter sind. Leider kommen immer wieder Kinder nicht damit zurecht und laufen davon. Letzte Woche sind 3 kleine Burschen davongelaufen, weil sie so Heimweh hatten. Einer davon hat mich heute angerufen und gemeint, dass er wieder kommt. Heute in der Frueh ist auch einer nach Hause gelaufen. Im ging es leider seit er zurueck gekommen ist garnicht gut und er schaffte es nicht mit der Situation sich abzufinden. Wir versuchten mit ihm zu sprechen, aber er liess nichts zu. Doch dieser Junge ist ein sehr cleverer Bursche, also bin ich ueberzeugt, dass er seinen Weg finden wird. In Sabbavaram sind gestern in der Frueh gleich 4 kleine Burschen davongelaufen, am Nachmittag wurden sie dann im Wald gefunden, wo sie sich versteckten, denn von dort aus wollten sie nach Hause laufen.

Das alles klingt jetzt wahrscheinlich sehr erschreckend, doch es ist oft eine sehr unueberlegte Reaktion, die aus der Schwierigkeit sich wieder anzupassen entsteht und schlussendlich bin ich zuversichtlich, dass fast alle am Montag in der Schule beginnen werden. Leider ist das davonlaufen aber immer Teil von so einem Projekt. Es war am Anfang sehr schwierig fuer mich, doch mittlerweile weiss ich damit umzugehen.
Ein weiteres Beispiel, wie anders das Leben der Tribals (Menschen die auf Bergen in Doerfern wohnen) ist, hat sich auch bei uns ereignet. Ein 16 jaehriger Bursche aus dem Shelter kam nach den Ferien von seinem Dorf zurueck und erzaehlte uns dann, dass er vor eine Woche geheiratet hat. Ja klingt verrueckt, ist es auch. Aber die Eltern verheiraten die Kinder sobald, damit sie sich ja nicht verlieben oder mit jemanden anderen irgendeinen Kontakt haben. Dass die Hochzeit nicht das Beste fuer die beiden in dem Alter ist, trau ich mir zu behaupten, dass es aber Teil des Lebens der Tribals ist, ist Tatsache. Ich bin einfach uebergluecklich, dass der Junge zurueck ins Shelter kam und jetzt trotzdem seine Schule fertig machen wird. Ausserdem ist es schoen zu sehen, dass er nicht bedrueckt ueber die Heirat ist, sondern er wirkt sehr positiv.

Heute im Shelter hatte ich ein klitze kleines Erlebnis, das mich aber irrsinnig gepraegt hat. Zur Zeit machen wir im Shelter viele viele Freundschaftsbaender aus wolle, weil es den Burschen so sehr Spass macht. Unser juengster Bursche, Karthik (5 Jahre), hat erst in letzter Zeit ein Freundschaftsband zu machen. Vor etwa zwei Wochen kam er zu mir „Sister Paamu (Schlange)“. Er wollte also, dass ich im eine bestimmte Freundschaftsbandtechnik lerne. Diese hab ich aber gerade erst selbst gelernt und sie ist echt schwierig. Anfangs erklaerte ich Karthik, dass es zu schwierig ist fuer ihn, weil ich echt nicht wusste, wie er es schaffen sollte. Er kam jedoch jede Zeichenstunde zu mir „Sister Paamu“. Ich begann dann im zu zeigen und zu erklaeren wie es funktioniert, aber seine Geduld war echt zu wenig und bereits nach 5 Minuten nahm er die Wolle und warf sie weg und schrie „Sister, no“. Zu meiner Ueberraschung kam er jedoch zwei Tage spaeter wieder und fragte wieder nach der Schlange. Ich erklaerte wieder und seine Geduld riess wieder bald ab. Dann war eine Weile Pause. Doch vor ein paar Tagen kam er wieder „Sister paamu“. Ich setzte mich wieder hin, erklaerte ihm Schritt fuer Schritt, wie er es machen soll. Seine Geduld wurde sehr knapp und ich schaffte es aber doch irgendwie, dass wir ein Stueck machten. Doch er war so unzufrieden mit dem Ergebnis, dass er wuetend davon lief und echt sauer auf mich war und mich eine Weile nicht ansah. Heute kam er dann wieder zu mir und ich war noch mehr ueberrascht, dass er es nochmal versuchen wollte. Ich beschloss heute ganz fuer ihn da zu sein und das mit ihm zu schaffen. Ich hielt das Freundschaftsband und zeigte ich immer jeden Faden, den er als naechstes nehmen muss. Die ganze Zeit konzentrierte ich mich nur auf ihn, den sonst wusste ich, ist seine Geduld schon wieder vorbei, wenn ich zum Beispiel nur mit jemand anderem spreche und er warten muss. Nach einer Weile entstand wirklich endlich die lang ersehnte Paamu (Schlange) und ich war so begeistert von dem Ergebnis, dass ich zu singen begann. Da er meine Freude sah, war seine natuerlich dann noch viel groesser. Wir haben es endlich geschafft, dass der Karthik eine Paamu gemacht hat. Am Abend machten wir ausnahmsweise nochmal Freundschaftsbaender und natuerlich kam der Karthik wieder „Sister Paamu“. Ich setzte mich wieder zu ihm hin und sagte ihm wieder Schritt fuer Schritt an. Ploetzlich entdeckte ich, als ich kurz mit jemand anderem sprach, dass er von selbst den naechsten Schritt gemacht hat. Ich sagte nichts und reagierte nur, wenn er mich fragte, da er Bestaetigung brauchte, ob der naechste Schritt stimmt. Irgendwann konnte ich neben bei ein eigenes Freundschaftsband knuepfen und Karthik machte seines.
Er kann jetzt alleine eine Paamu machen.
Ich weiss ich hab diese Geschichte jetzt echt ausfuehrlich erzaehlt, aber ich freu mich einfach so darueber. Karthik hat mir eindeutig gezeigt, dass ich mit Geduld ganz viel schaffen kann. Fuer Kinder ist es oft schwierig geduldig zu sein (kenn ich ja selbst auch), doch wenn ich ruhig und geduldig bin, dann uebertrage ich es auf das Kind und es ist viel mehr machbar. Doch das Schoenste, dass Karthik mir zeigte war wie das Sprichwort sagt :“ Wo ein Wille, da auch ein Weg“. Und das ist eindeutig so. Alles kann man erreichen, wenn man den festen Willen hat und an sich selbst glaubt.


Soweit so gut die neuesten Erlebnisse, die mir immer wieder Kraft und Motivation geben und mir Lust auf viel mehr machen.

Noch kurz andere Neuigkeiten:
Es ist schon etwas kuehler, also ich bin nurmehr ein bisschen nass, wenn ich von der Schule nach Hause kommen und nicht mehr komplett durchnaesst.
Mein Hitzeausschlag ist noch nicht recht weniger geworden, aber mit 3 mal taeglich duschen, Babyseife und Hitzepowder halte ich ihn ganz gut im Griff.
Gegenueber von uns wird ein Haus schon seit laengerem umgebaut - es ist wunderschoen und heute entdecke ich, dass sie es in meiner Lieblingsfarbe- orange- angemalt haben. Kraeftige Farbe aber einfach passend in das Stadtbild, echt schoen.
Vor unserem Haus wird die Strasse etwas aufgerissen und neu asphaltiert. Dazu wurden kleine Steine angeliefert, die bei der Einfahrt zu unserer Strasse ausgeleert worden sind. Naja jetzt kann man halt nicht mehr rein fahren in die Strasse, weil dort ein grosser Steinehaufen ist. Und vor etwa einer halben Stunde (ca. 10 Uhr am Abend) kam ploetzlich ein extrem Laerm.... die Bettina teilte mir dann mit es ist gerade die Mischmaschine gekommen, naja warum nicht wer will schon schlafen. That’s a little bit of the crazy India.


Also mir gehts gut, ich geniesse die Zeit.... sind ja nurmehr zweieinhalb Monate.

Wuensche euch allen einen wunderschoenen Sommer (freue mich, dass die Sonnenstrahlen endlich bei euch angekommen sind) und alle noch viel Kraft und Energie fuer die letzten Schulwochen.

Ganz liebe Gruesse

Martina

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen